06.07.2021

Traum als Realität: Kein Luftschloss

Rund 40 Kilometer südlich von Göteborg ragt ein Schloss in die typisch schwedische Westküsten-Szenerie, das nicht nur unvergleichlich aussieht. Auch die Geschichte von Tjolöholm ist einmalig wie spannend.

Die Geschichte dieses Schlosses ist auch eine tragische. Denn derjenige, der es in Auftrag gab zu bauen, hat es niemals gesehen. James Fredrik Dickson verstarb kurz nach dem Baubeginn des Schlosses Tjolöholm, so wie es noch heute rund 40 Kilometer südlich von Göteborg in der Region Halland steht. Dickson hatte sich in seinen Finger geschnitten. Um die Blutung zu stoppen, wickelte er die Folie einer Weinflasche um ebendiesen. Wenig später erlag Dickson an den Folgen einer Blutvergiftung.

1892 hatten James Fredrik und seine Frau Blanche Dickson das Areal erworben. Zunächst errichteten sie das seinerzeit größte Gestüt Schwedens, auf dem sie wertvolle Vollblüter züchteten. Es gab sogar eine eigene Fahrschule, die zeitgerecht Kutscher ausbildete. Doch die Geschichte des Guts geht noch um viele Jahrhunderte weiter zurück. Im 13. Jahrhundert wurde es erstmals im Grundbuch des dänischen Königs Valdemar erwähnt. In der Folge wechselten die Besitzer, die immer angesehene Familien aus der Oberschicht waren, wieder und wieder.

Herrenhaus im schlechten Zustand
Als schließlich die Dicksons zum Ende des 19. Jahrhunderts das Anwesen kauften, gab es dort bereits ein Herrenhaus. Dieses wurde 30 Jahre zuvor im italienischen Renaissancestil erbaut – war aber längst nicht mehr in einem vorzeigbaren Zustand. Deshalb hatte das Ehepaar Dickson 1897 die Idee eines Wettbewerbs. Das Ziel: Auf dem Gut sollte ein Schloss im elisabethanischen Stil entstehen.

Auch der schwedische Architekt Lars Israel Wahlmann reichte einen Vorschlag mit dem Titel Hogbolin ein. Der landete zwar zunächst nur auf dem zweiten Platz – bekam am Ende aber doch noch den Zuschlag. Seine Inspiration für das Schloss zog er aus der britischen Arts-and-Crafts-Bewegung, die den Fokus auf natürliche Materialien und hochwertiges Kunsthandwerk legt. Bemerkenswert: Architekt Wahlmann ist zwar von dieser britischen Bauart stark inspiriert gewesen, war selbst aber nie in Großbritannien.

Gebäude mit 36 Zimmern
Sein Bauplan war ebenso kreativ wie komplex. Er entwarf ein Gebäude mit 36 Zimmern, das unterteilt war in verschiedene Bereiche für den Adel, die Kinder, Gäste oder die Bedientesten. Was auffällt, ist die Detailliebe. Schloss Tjolöholm ist ein Meisterwerk handwerklicher Qualität. Sowohl das Äußere als auch Innere sind detailliert und typisch im Design des Arts-and-Crafts gehalten. Die Blumen- und Pflanzenmotive zum Beispiel ziehen sich durch das gesamte Schloss.

„Tjolöholm ist kein traditionelles schwedisches Schloss, sondern eines im britischen Stil, was ungewöhnlich für Schweden ist“, sagt Elisabeth Elfström, die stellvertretende Geschäftsführerin. „Es gibt nicht wirklich etwas Vergleichbares, sowohl die Architektur als auch die Inneneinrichtung sind einzigartig.“

Tagesausflug oder Übernachtung
Das Schloss liegt bei Kungsbacka und ist wunderschön von der Nordsee umgeben. Tjolöholm eignet sich perfekt für einen Tagesbesuch. Wer die teils mystische Atmosphäre etwas intensiver erleben möchte, kann auch im ehemaligen Arbeiterdorf oder der Torhütte übernachten. Das Besondere ist aber nicht nur das Schloss selbst, sondern auch seine Umgebung. Der blühende und weitläufige Schlossgarten sowie die langen Wege in den Wald sorgen für ein veritables Naturerlebnis. Zudem gibt es hier ein Restaurant und Café sowie die historische Schlosskirche.

Die tragische Geschichte des Schlosses setzte sich nach dem Tod von James Fredrik Dickson aber weiter fort. Seine Frau Blanche, die die Fertigstellung 1904 hauptverantwortete, starb zwei Jahre später während einer Schiffsreise im Indischen Ozean. Die Tochter der Dicksons, Blanche Bonde, übernahm das Anwesen – bis sie das Schloss 1951 endgültig verließ. Seither stand das Schloss lange Zeit frei und verfiel in einen maroden Zustand.

Eine Viertelmillion Besucher pro Jahr
Nach ihrem Tod kaufte die Stadt Göteborg das Anwesen und machte es der Öffentlichkeit zugänglich. So kommen heute bis zu 250000 Besucher auf das Gut. In Nicht-Pandemie-Jahren finden hier auch besondere Events wie das Erntefest im September oder der Weihnachtsmarkt im November statt.

An seiner Anziehungskraft hat das knapp 115 Jahre alte Schloss nichts verloren. Es wurde bereits als Drehkulisse des prämierten Films „Melancholia“ genutzt. Und dann hatte es in den 1980er-Jahren noch einen ganz speziellen Übernachtungsgast: Während eines Pferdeturniers übernachtete Prinz Philip von England im königlichen Gästezimmer von Schloss Tjolöholm.

Dieser Beitrag wurde geschrieben von:

Leon

Leon, 25 Jahre, liebt das Reisen und bekommt nie genug davon, Neues zu entdecken. Seine Neugier lotste ihn schon bis nach Japan, Guatemala und auf die Fidschi-Inseln. Im hohen Norden aber fühlt er sich am wohlsten. Im Winter liebt er es, sich in der lappländischen Schneewelt der Natur hinzugeben. Im Sommer genießt der studierte Journalist besonders Schwedens einzigartige, maritime Küstenwelt. Schweden ist für Leon ein Kaleidoskop des Reisens: aufregend, abwechselnd, anders. Im Land der Mitternachtssonne erlebt er bei jeder Reise aufs Neue, was SchwedenPur bedeutet.


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