Tornio war von Beginn an etwas Besonderes. Als König Gustav II. Adolf die Stadt 1621 gründete, war sie die nördlichste der Welt. Heute ist Tornio finnisch. Seine Zwillingsstadt Haparanda hingegen ist schwedisch. Dieses europäische Unikum hat aber noch mehr zu bieten: Die Grenzstadt liegt in zwei Zeitzonen. Tornio ist Haparanda immer eine Stunde voraus.
Der Kampf mit dem Handynetz
„Das müssen die Menschen hier täglich beachten“, sagt Noora Barria, die in Tornio lebt und als Marketingmanagerin für die Region arbeitet. „Es gibt viele, die auf der anderen Seite wohnen und auf der anderen Seite arbeiten. Und es gibt Kinder, die im jeweils anderen Teil zur Schule gehen.“ Dabei haben die Bewohner mit ganz profanen Dingen zu kämpfen. Ist das finnische Handysignal stärker als das schwedische, obwohl man in Schweden ist, stellt das Telefon die Zeit automatisch um. Die Menschen hier oben haben die Zeit permanent im Blick.
Haparanda-Tornio ist ein Abbild der jüngeren Geschichte Europas. Nach ihrer Gründung avancierte die Stadt zur reichsten Stadt des schwedischen Königreichs. Im Krieg 1809 verlor Schweden Finnland dann an Russland. Die neue Staatsgrenze wurde entlang des Flusses Tornio gezogen. Er markierte fortan auch die Grenze zwischen Ost und West. Das Dorf Haparanda war jetzt ein Teil Schwedens, Tornio gehörte zu Russland.
Wichtigster Grenzübergang
Es war eine Zäsur. Ein kohärenter Kulturraum wurde aufgespalten in zwei Teile. Doch die Verbindung, allen voran die gemeinsamen Sprachen Finnisch und Meänkieli, ist bis heute geblieben. Im Zuge der russischen Revolution 1917 sagte sich Finnland von Russland los und wurde unabhängig. Nun hatte Schweden wieder Finnland als seinen Nachbarn. Bis heute gilt der dortige Grenzübergang als der wichtigste der beiden Länder.
Obwohl sich die Menschen im Norden beider Länder sehr ähneln, beobachtet Noora Barria auch Unterschiede zwischen beiden Stadtteilen. Da sind einerseits ganz banale Hinweise, wie die unterschiedliche Sprache auf den Straßenschildern nach dem Grenzübertritt. Die Währung ändert sich. Und es gibt die landestypischen Merkmale der Menschen. „Die Finnen kommen gerne direkt zur Sache“, beobachtet Barria. „Die Schweden halten dagegen gerne auch mal Smalltalk.“
Ein verbindender Faktor
Haparanda-Tornio ist heute ein europäisches Vorzeigeprojekt. Weder Kriege noch staatliche Trennungen konnten die Stadt kulturell trennen. Heute ist der Status der Zwillingsstadt viel mehr als ein wichtiger Standort des Tourismus. Der Fluss ist längst ein verbindender statt eines trennenden Faktors geworden.
Das Torniotal ist ein fruchtbares, reiches Habitat. Fisch, Wild und Beeren gehören zu den ordinären Lebensmitteln der Region. Die heutige Bevölkerung hat ihre Wurzeln in beiden Ländern, die samische Kultur nimmt eine bedeutende Rolle ein. Durch die Flüsse und das nahliegende Bottnische Meer ist das Wasser ein untrennbarer Teil des Lebens.
Lokale Produkte auf dem Speiseplan
„Wegen des Meeres und des Flusses essen und servieren wir viel Fisch und auch Kaviar“, erklärt Noora Barria. „Wir haben viel Wald um uns herum, sodass Pilze und Beeren in der Regel in irgendeiner Form auf dem Speiseplan stehen. Wir versuchen, im Sommer und Herbst so viel wie möglich aus der Natur zu sammeln und zu konservieren und lokale Produkte zu essen.“
Wegen der mannigfaltigen Auswahl an Winteraktivitäten ist Haparanda-Tornio eine populäre Winterdestination. Viele kommen aber vor allem deshalb, um etwas Einzigartiges zu erleben: das doppelte Silvester. Durch die unterschiedlichen Zeitzonen erlebt man in der Zwillingsstadt den Jahreswechsel zweimal; erst in Finnland, eine Stunde später in Schweden. „Wir haben einen gemeinsamen Marktplatz, auf dem sich die Menschen in der Silvesternacht versammeln, es gibt zweimal ein Feuerwerk“, sagt Noora Barria.
Die Zwillingsstadt hat in ihren 401 Jahren Geschichte brutale Zeiten überwunden. Heute ist sie eins. Der einstündige Zeitunterschied ist das einzige, was Haparanda und Tornio noch trennt.
Leon
Leon liebt das Reisen und bekommt nie genug davon, Neues zu entdecken. Seine Neugier lotste ihn schon bis nach Japan, Guatemala und auf die Fidschi-Inseln. Im hohen Norden aber fühlt er sich am wohlsten. Im Winter liebt er es, sich in der lappländischen Schneewelt der Natur hinzugeben. Im Sommer genießt der studierte Journalist besonders Schwedens einzigartige, maritime Küstenwelt. Schweden ist für Leon ein Kaleidoskop des Reisens: aufregend, abwechselnd, anders. Im Land der Mitternachtssonne erlebt er bei jeder Reise aufs Neue, was SchwedenPur bedeutet.